25.09.2024 Ariadne
Teufelskreis Sanierungsdefizit: Ärmere im Nachteil
In Deutschland herrscht weiterhin Sanierungsrückstand, besonders bei einkommensschwachen Haushalten. Dadurch geben Haushalte mit weniger Geld mehr für Energie aus. Schließlich machen Modernisierungen alte Gebäude effizienter und senken Heizkosten langfristig. Zahlen des neuen „Wärme- und Wohnen-Panels“ zeigen dringenden Handlungsbedarf, um Emissionen zu reduzieren und soziale Ungleichheiten zu verringern.
Die Ergebnisse des Ariadne-„Wärme- und Wohnen-Panels“ (Details dazu: siehe Aufklapp-Infos unten) zeigen über den Verlauf der vergangenen Jahre einen leichten Anstieg bei energetischen Sanierungen von selbstgenutzten Immobilien. Doch insgesamt sind die Zahlen nach wie vor zu niedrig: „In den Jahren 2022 und 2023 verzeichnen wir eine durchschnittliche Modernisierungsrate von knapp 1,1 bzw. 1 Prozent bei Eigenheimen. Im Vergleich zur durchschnittlichen Rate von 0,8 Prozent zwischen 2000 und 2020 ist das ein leichter Aufwärtstrend“, erläutert Kathrin Kaestner vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Dennoch bleibt dieses Modernisierungsniveau deutlich unter dem Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung für jährliche Sanierungstätigkeit.“
Hemmnisse in der Klimapolitik mitdenken
Nachholbedarf bestehe besonders bei Menschen, die eine eigene Immobilie, aber wenig Geld zur Verfügung haben: Zwischen 2000 und 2021 lag die jährliche Sanierungsrate von Eigenheimen bei Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1.700 Euro bei nur 0,61 Prozent, während sie bei Haushalten mit einem Einkommen von 3.200 Euro und mehr 0,84 Prozent erreichte. Menschen mit weniger Einkommen leben derweil häufiger in Mehrfamilienhäusern sowie in alten, unsanierten Gebäuden und müssen öfter einen großen Teil ihres Einkommens für Heizkosten aufwenden. Gerade sie haben also einen stärkeren Anreiz für Sanierungen. Doch Zahlen aus dem „Wärme- und Wohnen-Panel“ lassen erahnen, dass fehlende finanzielle Möglichkeiten sowie die Wohnsituation sie daran hindern.
Solche Hemmnisse müssen laut der Ariadne-Forschenden daher einfließen, um die Klimapolitik im Gebäudesektor zum Erfolg zu führen. Zum Beispiel könne die CO2-Abgabe auf fossile Heizstoffe nur ihre volle Lenkungswirkung entfalten, wenn Einnahmen gleichzeitig zum Einsatz kommen, um Hindernisse bei der Sanierung abzubauen.
Kluft zwischen Wollen und Tun
Die erhobenen Daten unterstreichen zudem eine deutliche Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Zustimmung zum Klimaschutz in Deutschland und der Unterstützung konkreter Maßnahmen. „Zwar halten rund 80 Prozent der Befragten Klimaschutz für wichtig, doch nur eine Minderheit befürwortet spezifische Maßnahmen wie eine CO2-Abgabe auf Heizenergie“, resümiert Anton Knoche vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Dabei bevorzugen Eigentümerinnen und Eigentümer die bestehende CO2-Abgabe gegenüber einem geplanten Einbauverbot fossiler Heizungen, während Mieterinnen und Mieter keine klare Präferenz zwischen diesen Maßnahmen haben. Zudem zeigt sich, dass Haushalte mit niedrigen Heizkosten im Verhältnis zum Einkommen eher bereit sind, klimapolitische Maßnahmen im Gebäudebereich zu unterstützen. Auch regionale Unterschiede sind signifikant: In den neuen Bundesländern ist die Akzeptanz für Maßnahmen geringer als in den alten Bundesländern und insbesondere als in den Stadtstaaten. Auch diese „Grundstimmung“ sollte nach Ansicht der Ariadne-Forschenden in die Ausgestaltung von klimapolitischen Maßnahmen im Gebäudesektor einfließen.
Im Jahr 2021 hat das Kopernikus-Projekt Ariadne erstmals eine groß angelegte Befragung durchgeführt, die Grundlage für das sogenannte „Wärme- und Wohnen-Panel“ ist. Von Anfang an war geplant, es nicht bei einer punktuellen Befragung zu belassen, sondern diese jährlich zu wiederholen. Ziel ist, eine neuartige Datengrundlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur in Deutschland zu schaffen. Diese ermöglicht fundierte Analysen der aktuellen Wohn- und Heizsituation von Deutschlands Haushalten sowie deren Entwicklung. So lassen sich künftig die Wirksamkeit von Maßnahmen im Gebäudesektor besser ausrichten und konkrete Reaktionen auf Maßnahmen besser verstehen. Der hier vorgestellte Report bezieht sich auf die dritte Erhebung.
Die Erhebung (mehr oben unter „Was ist das Wärme- und Wohnen-Panel?“ ) ist eine Sache, die Aufbereitung durch die Forschenden eine andere. Die Erhebung bezieht sich auf den vorgangegangene Heizperiode. Weil die Heizperiode je nach Witterung unterschiedlich früh oder spät im Herbst beginnt und im Frühjahr endet, wäre es kontraproduktiv, stattdessen ein Kalenderjahr zu betrachten, das zwei Teile von zwei verschiedenen Heizperioden enthält. Wenn die Daten vorliegen, beginnt erst die Arbeit der Forschenden: Daten auswerten, vergleichen, Schlüsse daraus ziehen, mögliche Gründe für Entwicklungen finden. Das benötigt Zeit, weswegen der Report zu den Daten in der Regel erst im Folgejahr erscheint.
Der vorliegende dritte Report, erschienen im September 2024, bezieht sich auf die Heizperiode 2022/2023, für die im Frühjahr 2023 eine Endabrechnung vorlag. Die Erhebungswelle hierfür erstreckte sich von Mitte Mai bis Mitte Juni 2023. Die Ariadne-Forschenden haben rund 15.000 Haushalte befragt, entsprechend groß ist die zu analysierende Datenbasis. Von den Befragten hatten knapp 70 Prozent bereits an den ersten beiden Erhebungen in den Jahren 2021 und 2022 teilgenommen. Rund 65 Prozent der analysierten Haushalte wohnten im Eigentum, zur Miete wohnten rund 35 Prozent.
So ging Deutschland in den Energiekrise-Winter 2022: Ergebnisse des Wärme- und Wohnen-Panels (2023): Manuel Frondel, Andreas Gerster, Philipp Hiemann, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.
Mehr dazu inkl. Download gibt es hier.
So wird geheizt: Ergebnisse des Wärme- und Wohnen-Panels 2021 (2022): Manuel Frondel, Andreas Gerster, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.
Mehr dazu inkl. Download gibt es hier.
Methoden-Hintergrund: Das Wärme- & Wohnen-Panel zur Analyse des Wärmesektors. Manuel Frondel, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam (2021).
Mehr dazu inkl. Download gibt es hier.