04.07.2023 Ariadne

Breite Rückendeckung für Klimaschutz trotz Krieg und Krisen

Die Menschen in Deutschland zweifeln nicht an der Notwendigkeit einer Energiewende - wohl aber am politischen Willen und einer sozial gerechten Transformation. Das zeigt das neue Soziale Nachhaltigkeitsbarometer. Diese repräsentative Befragung von bundesweit mehr als 6500 Personen zu Themen der Energie- und Verkehrswende führt einmal jährlich das BMBF-geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne durch.

Das Bild zeigt, wie diverse Menschen sich in der Mitte die Hände reichen, während Sonnenstrahlen zu sehen sind.
©Thaut Images – stock.adobe.com

Die Menschen im Land sparen bewusst im eigenen Haushalt Energie und stimmen trotz vieler Unsicherheiten der Energie- und Verkehrswende weiter zu. Sie äußern sogar den Wunsch nach Lösungen, die sowohl zum Klimaschutz beitragen als auch die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise mildern. Das verdeutlichen die Zahlen im aktuellen Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer (weitere Infos: siehe Aufklappboxen unten). Für 41 Prozent der Befragten hat das Thema Klimaschutz sogar an Bedeutung gewonnen. „Trotz aller Zustimmung zur Energiewende sind die Bürgerinnen und Bürger mit den bisherigen Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der Inflation und gestiegener Energiepreise jedoch unzufrieden“, ordnet Ingo Wolf vom RIFS Potsdam die aktuellen Umfragewerte ein. „Die Mehrheit empfindet die Verteilung der Entlastungen als insgesamt ungerecht und bemängelt insbesondere, dass Menschen mit niedrigen Einkommen nicht ausreichend entlastet werden.“ 

Menschen unterschätzen, wie stark ihre Mitmenschen Klimaschutz befürworten

Interessant ist der Blick auf die tatsächliche und wahrgenommene Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen. So unterschätzen viele die Zustimmung zum Ausbau von Windenergieanlagen im Wohnumfeld. Während die Befragten glauben, dass in Gesamtdeutschland nur etwa ein Drittel (32 Prozent) der Menschen den Windausbau vor Ort befürworten, sind es tatsächlich nahezu doppelt zu viele (59 Prozent). Wenn es um die Frage nach der Bereitschaft zum Energiesparen geht, meinen sie, dass nur knapp über die Hälfte der Mitmenschen bereit sei, weniger Strom und Gas zu verbrauchen – dabei liegen die Zustimmungswerte bei 77 Prozent.

„Eine verzerrte Wahrnehmung der tatsächlichen Meinungsverhältnisse zum Ausbau Erneuerbarer Energien kann sich negativ auf die Genehmigung solcher Anlagen auswirken und der Politik einen falschen Eindruck vermitteln, nach dem Motto: Vor Ort will keiner mitmachen, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht“, warnt Ortwin Renn vom RIFS. „Die Aufklärung über Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse zu einzelnen Maßnahmen der Strom- und Verkehrswende ist also sehr wichtig für den politischen Diskurs und Entscheidungsprozess.“

Die meisten sehen im eigenen Haushalt kein weiteres Einsparpotenzial

Um die Energieeinsparziele zu erreichen, hat ein Großteil der Menschen selbst aktiv ihr Verhalten nach eigenen Angaben geändert. Auch die privaten Investitionen in klimafreundliche Technologien wachsen der Befragung zufolge. So hat sich zum Beispiel der Anteil der E-Auto-Käufer von 2021 bis 2023 auf zehn Prozent verdoppelt. Der Anteil der Personen, die privat Solaranlagen installiert haben, stieg von 17 Prozent auf 28 Prozent. Für eine deutliche Mehrheit scheint indes das Einsparpotenzial im eigenen Haushalt ausgeschöpft und für knapp die Hälfte von ihnen sind Investitionen in Elektromobilität aktuell nicht machbar. Gleichzeitig sehen die Menschen eine stärkere Handlungsverantwortung bei Industrie und Politik und stören sich am mangelnden Tempo, Instrumente für mehr Klimaschutz umzusetzen. Die Menschen kritisieren die hohen Kosten für Grüne Energie sowie einen falschen Fokus bei der Umsetzung klimaneutraler Mobilität und nehmen eine soziale Ungleichheit in Chancen und Lastenverteilung der Strom- und Verkehrswende wahr.

Ariadne-Forschende des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) haben das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende als Längsschnittstudie so konzipiert, dass die Anliegen, Erwartungen und Erfahrungen der deutschen Bevölkerung rund um die Ausgestaltung und Umsetzung der Transformationsprozesse im jährlichen Abstand wiederholt erhoben werden. So lassen sich über die Zeit Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen sowie direkte Bezüge zu bestimmten Politikmaßnahmen und gesellschaftlichen Ereignissen herstellen. Zudem lassen sich durch die detaillierte Erfassung der soziodemografischen, psychologischen und Verhaltensmerkmale der mehr als 6500 befragten Bürgerinnen und Bürgern eine Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen untersuchen. Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende ist eine Panelstudie, die im jährlichen Rhythmus seit 2021 stattfindet. Die Befragungen des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers werden als Online-Erhebung von Forsa (forsa.omninet) durchgeführt.

Ko-Autorin Benita Ebersbach vom RIFS:

„Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine gerechte Verteilung der Lasten, die durch die Energie- und Verkehrswende entstehen. Dabei geht es ihnen nicht nur um finanziellen Ausgleich, sondern um eine gleichberechtigte Teilhabe am Verkehrssystem, wie die Umfragewerte des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers zeigen.“

 

Ko-Autor Jean-Henri Huttarsch vom RIFS:

„Selbst vor dem Hintergrund von Krieg und Inflation halten die Menschen in Deutschland den Klimawandel für eines der drängendsten gesellschaftlichen Probleme. Verantwortlich für die Lösung dieses Problems sind in den Augen der Bürgerinnen und Bürger alle - die Bevölkerung selbst, aber neben Wirtschaft und Industrie vor allem auch die Politik. Ein klarer Appell, weiter an wirksamen und sozial ausbalancierten Klimaschutzmaßnahmen zu arbeiten.“

Das Kopernikus-Projekt Ariadne bietet als besonderen Service auf seiner eigenen Website auch eine interaktive Datenvisualisierung zum Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer an. Hier geht's direkt zu der neuesten Version für 2023. Wer neugierig ist, wie die Fragebögen aussehen, scrollt auf der Seite weiter nach unten und findet diese dort als Download - Ariadne macht den gesamten Prozess sehr transparent.

Mehr zu den Hintergründen und zur Methodik erklärt der Daten- und Methodenbericht, der hier herunterladbar ist.

Alle bisherigen Nachhaltigkeitsbarometer sind außerdem hier zu finden.

Mehr News aus dem Projekt